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Review/Test Kompaktdrohne Parrot Anafi

Eine Drohne soll es sein

Immer wenn ich auf Instagram Luftaufnahmen gesehen habe, die mit Drohnen aufgenommen wurden, dachte ich mir „So ein Ding brauchst du auch!„.

Tja und dann habe ich immer so überlegt, wann ich das Teil benutzen würde und kam von der Überlegung wieder ab. Wenn man sich nämlich mal die (noch) erlaubten Flugzonen ansieht (z.B. auf Map2Fly), wird es eigentlich schon verdammt schwierig mit einer Drohne bzw. einen Multicopter in Deutschland legal zu fliegen. Und trotzdem war der Reiz dieser tollen Perspektiven immer vorhanden.

So habe ich mir immer wieder mal Tests von den üblichen DJI-Modellen angesehen, die auch reisetauglich sind: DJI Mavic Air und DJI Mavic Pro 2 bzw. DJI Mavic 2 Zoom.

Ich habe mich dann an meine Thassosreise erinnert, als ich am „Natur-Pool“ von Giola stand: Jemand hat dort eine Mavic Air gestartet und ich war negativ überrascht, wie penetrant laut das Ding ist. Als würde ein Schwarm aggressiver Wespen abheben. In Zeiten, in denen Drohnen bzw. deren Piloten sowieso keinen guten Ruf mehr haben, ist dies natürlich kontraproduktiv. Allein deswegen war die Mavic Air für mich gestorben.

Ja und dann kamen die Nachfolgemodelle der Mavic Pro auf den Markt: Die DJI Mavic Pro 2 mit der 1-Zoll-Sensor-Kamera von Hasselblad und die DJI Mavic 2 Zoom mit der Möglichkeit einen optischen Zoom einzusetzen. Beides enorm reizvoll. Aber 1.400€ bzw. 1.250€ für eine Drohne ausgeben, wenn man noch gar nicht weiß, ob man das Ding entsprechend nutzen wird? Eher nicht so mein Ding. Deshalb verschwand das Thema Drohne für mich wieder in der Versenkung, bis ich durch Zufall auf die Parrot Anafi gestoßen bin.

Parrot Anafi im Schwebeflug
Parrot Anafi im Schwebeflug

Gleich mehrere Dinge haben mein Interesse an der Parrot Anafi geweckt:

  1. Ich mag es, gute Produkte von „Underdogs“ (Parrot) zu kaufen, die dem Platzhirschen (DJI) etwas Konkurrenz machen. Wenn dieser „Underdog“ dann auch noch auf Europa, nämlich Frankreich kommt, umso besser.
  2. Das Konzept der Anafi: Ultrakompakt, leicht, unauffällig.
  3. Leise! Ist sie mal abgehoben und auf einer Flughöhe von 5-10m hört man sie kaum mehr!
  4. 4K mit verlustfreien Zoom.
  5. 21MPx Kamera mit Sony-Chip.
  6. Annehmbarer Preis (700€ UVP, mittlerweile um die 550€)

Tja, aber dann waren da ein paar sehr negative Punkte, die mich auch hier wieder abgeschreckt haben. So liest man an vielen Stellen von „spontanen“ Abstürzen oder von Problemen mit dem GPS oder sonstigen Sotfwareproblemen. Das Ding war am Anfang (August 2018) wohl dermaßen unausgereift, dass sich Parrot hier sicher keinen Gefallen getan hat. Ich bin ja der Meinung, dass sie die Anafi zu früh auf den Markt geworfen haben, damit sie vor der Mavic 2 Zoom eine Drohne anbieten, die z.B. Dollyzoom beherrscht.

Parrot Anafi – Startbereit

Tja, und dann kam die Cybermonday-Week von Amazon. Hier hätte ich beinahe bei einem Warehouse-Deal zugeschlagen (20% Rabatt auf Warehouse Deals), immerhin wäre die Anafi dann nur noch auf ca. 450€ gekommen. Nach langem hin und her wollte ich dann aber doch keine „gebrauchte“ Drohne kaufen, die evtl. schon mal abgestürzt ist.

Doch die Anafi bzw. Amazon lies nicht locker und so kam das gute Stück am Blackfriday in ein Tagesangebot: 495€. Ich konnte mich nicht mehr beherrschen und hab‘ sie bestellt. Und was soll ich sagen? Bis jetzt bin ich nicht enttäuscht. Keine Abstürze, bis auf einen, den ich selbst verbockt habe, der aber aus geringer Höhe war und somit nichts passiert ist.

Die Parrot Anafi

Aber der Reihe nach. Nachdem der Hermes-Fahrer spät abends dann das Paket daher brachte und mir noch den freundlichen Kommentar da lies „Sorry, dass ich so spät komme, schei** Black Friday!„, konnte ich das gute Stück erst mal auspacken und aufladen.

Die Spezifikationen

Mit ihren 320g ist die Parrot Anafi wirklich ein Leichtgewicht, die durch einen intelligenten Li-Po-Akku mit 2.700 mAh für ca. 25 Minuten in der Luft bleiben kann – natürlich unter Idealbedingungen. Wer einen zweiten Akku kaufen will, muss etwas tief in die Tasche greifen, ein Ersatzakku kostet nämlich fast 100€. Ob der hohe Preis der verbauten Elektronik geschuldet ist, kann ich nicht sagen. Fakt ist jedoch, dass sich der Akku per USB-C Anschluss an allen gängigen Energielieferanten aufladen lässt. Dazu gehören z.B. Schnellladegeräte von Smartphones, die Powerbank oder einfach der USB-Anschluss des Laptops. Es empfiehlt sich jedoch ein Ladegerät mit Schnellladefunktion, am besten mit Power Delivery (PD), ansonsten wird der Ladevorgang zur Geduldsprobe. Ich kann das Power Port Ladegerät von Anker empfehlen, das neben einer PD-Buchse auch noch 4 normale USB-Anschlüsse hat. Somit lassen sich (z.B. im Urlaub) gleich mehrere Geräte gleichzeitig aufladen. Der Controller muss ja auch aufgeladen werden. Für das Laden an PD benötigt man lediglich ein USB-C-UBS-C-Kabel.

Parrot Anafi - schönes und funktionales Transportcase
Parrot Anafi – schönes und funktionales Transportcase
Parrot Anafi - schönes und funktionales Transportcase
Parrot Anafi – schönes und funktionales Transportcase

Wer schon im Vorfeld weiß, dass ihm ein Akku nicht reichen wird, der sollte sich das Anafi Extended Kit anschauen. Für 150€ Mehrpreis erhält man 3 Akkus, die Anafi samt Controller und eine nette Tragetasche für das Equipment.

Auch wenn die Anafi nur 320g wiegt, ist sie keinesfalls „billig“ verarbeitet. Im Gegenteil, es handelt sich z.B. um Kunstoffverbundmaterial, ähnlich Carbon. Das wirkt beim Anfassen vielleicht etwas fragil, ermöglich aber das geringe Gewicht bei gleichzeitiger Stabilität. Übrigens benötigt man auch für die Anafi ein Drohnenkennzeichen, das ich in einer äußerst kleinen Variante hinten am Akku angebracht habe. So kann ich mir sicher sein, dass die Alu-Plakette keine Antenne stört/abschirmt. Klar, am Ersatzakku muss folglich ein weiteres Kennzeichen angebracht werden.

Neben der Leichtigkeit der Drohne muss man auch ihre Kompaktheit hervorheben. Zusammengeklappt und in dem schönen Transportcase (inklusive) verpackt, hat sie in etwas die Maße einer Wasserflasche (28,0cmx9,5cmx7,0cm). Die Anafi ist also eher lang als breit und lässt sich wunderbar z.B. im Fotorucksack verstauen.

Parrot Anafi - Skycontroller 3
Parrot Anafi – Skycontroller 3

Ansonsten wird neben der Drohne noch der Skycontroller, ein USB-C-Kabel, ein Satz Ersatzpropeller und eine bereits eingebaute 16 GB MircoSD-Karte mitgeliefert.

Eine der wirklichen Besonderheiten dieser sehr kleinen Drohne ist aber die Kamera und der Gimbal. Mechanisch besitzt die Anafi nur einen Zwei-Achsen-Gimbal, per Software wir die dritte Achse stabilisiert. Ich konnte jedoch keine Nachteile erkennen, die Stabilisierung funktionierte selbst bei leichtem Wind hervorragend. Den Gimbal kann man dabei nicht nur senkrecht nach unten schwenken, sondern auch senkrecht nach oben. Damit erreicht man 180° in den Vertikalen, das kann keine andere Drohne und ermöglicht neue Perspektiven. Die Propellerposition sorgt übrigens immer für einen „freien Blick“, d.h. selbst bei schnellen Flügen, die Anafi schafft bis zu 56 km/h im Sportmodus, ragen die Rotoren nie ins Kamerabild, egal, wie der Gimbal ausgerichtet wird.

Die Kamera hat einen 1/2,4″-CMOS-Sensor von Sony verbaut (IMX230) und löst mit 21MPx bei einer festen Blende von f/2,4 auf.

Skycontroller 3 - Tasten
Parrot Anafi – Skycontroller 3 Tasten

Filmen kann man in 4K/2,7K/1080p mit 30/25/24 fps (100Mbit/s Bitrate). Eine wirklich gelungene HDR-Funktion gibt es sowohl für den Filmmodus, als auch im Fotosmodus – letzterer wurde mit einer der letzten FW-Update freigeschaltet. Durch die hohe Auflösung des Sensors (21MPx) erreicht man in 4K einen 1,4 fachen verlustfreien Zoom, bei FullHD sogar 2,8 fach. Fotos können sowohl als JPEG, als auch als DNG (RAW) gespeichert werden, beim Film hat man die Möglichkeit ein flaches Profil auszuwählen. Mit dem letzten FW-Upgrade wurde zudem die Möglichkeit geschaffen automatisch Panoramafotos aufzunehmen, sehr coole Sache.

Gesteuert wird die Anafi mit dem Skycontroller 3 und der App Freeflight 6. Der Controller an sich ist nicht gerade ein Leichtgewicht, mit fast 390g sogar ca. 60g schwerer als die Anafi. Dafür liegt der Controller super in der Hand, als Display dient dabei das Handy, welches oberhalb der Steuerknüppel eingeklemmt wird. Mit meinem Samsung Galaxy S9+ funktioniert dies hervorragend. Der Skycontroller verfügt über einen eigenen (nicht wechselbaren) Akku, der über USB aufgeladen wird. Im Oberteil des Klemmmechanismus für das Handy steckt die Antenne, die per WLAN 802.11a/b/g/n im 2,4GHz oder 5,8GHz Band die Verbindung zur Anafi aufbaut. Der Controller hat zwar eigenes GPS, nutzt dies aber anscheinend nur mit dem iPhone, bei Android wird das GPS des Handys genutzt. Das Livebild wird in 720p HD-Auflösung auf das Handy gestreamt. Der Controller selbst hat neben den Steuerknüppeln die physische Tasten für „Return to Home“, „Starten/Landen“, „Auslöser Foto/Film“, „Zoom“, „Schwenken des Gimbals“.

Skycontroller 3 mit Samsung Galaxy S9+ in Aktion
Skycontroller 3 mit Samsung Galaxy S9+ in Aktion

Die Anafi in der Praxis

Wie oben bereits erwähnt, habe ich lange hin und her überlegt, ob ich mir die Anafi kaufen soll, da die Firmware nicht ausgereift war. So liest man Berichte von „Spontanabstürzen“ und Verbindungsabbrüchen im Flug.

Ja, die Anafi hatte anfangs leider eine Bananen-Firmware (reift beim Kunden), Parrot hat aber in mehreren Updates die Probleme behoben und viele neue Features nachgereicht. Wie eben den Panorama Modus. Auch das Flugverhalten wurde verbessert, so bewegte sich die Anafi immer leicht nach vorne oder hinten, wenn sie eigentlich stehen sollte. Dieses Problem wurde abgestellt.

Das Kalibrieren des Kompass in der Anafi geht schnell von statten und muss auch nicht allzu oft wiederholt werden. Allerdings hatte ich einmal das Problem, dass ich die Anafi nicht kalibrieren konnte. Hier half dann nur ein Reset über die App und ein Neueinrichten. Das geht relativ flott, ist aber trotzdem ärgerlich.

Auch möchte ich davor warnen, die Anafi zu starten, bevor sie ein GPS Signal hat. Dies kann laut diverser Berichte ebenfalls zu Abstürzen führen.

Ich selbst habe hin und wieder das Problem, dass zwar die Verbindung zur Drohne steht, aber kein Kamerabild angezeigt wird. Hier reicht es, wenn man das USB-Kabel kurz vom Handy absteckt und wieder ansteckt.

Parrot Anafi - Gimbal mit 90° Schwenk nach oben
Parrot Anafi – Gimbal mit 90° Schwenk nach oben

Ein wirklich cooles Feature ist, die Drohne aus der Hand zu starten und/oder auf der Hand zu landen. Die Anafi erkennt, wenn sie von der Hand starten soll von allein, d.h. die Rotoren drehen nicht voll auf, wie bei einem Start vom Boden, sondern nur mit reduzierter Drehzahl. Schubst man die Anafi dann in die Höhe, drehen die Rotoren voll auf und die Drohne bleibt in der Luft schweben. Wirklich einfach und coole Sache. Bei der Landung sollte man allerdings aufpassen: Man hält die Hand unter die Anafi und drückt auf dem Controller „Landen“. Die Drohne wird dann sanft auf der Hand aufsetzen und die Rotoren stoppen. Ich habe einmal den Fehler gemacht und habe die Anafi festgehalten, als sie nicht richtig aufgesetzt ist. Sie versuchte dann mit voller Power von meiner Hand wieder zu starten, ich musste sie auslassen und dabei ist sie dann in den Boden geknallt. Gut, dass nichts passiert ist.

Parrot Anafi - Gimbal mit 90° Schwenk nach unten
Parrot Anafi – Gimbal mit 90° Schwenk nach unten

Das Flugverhalten der Anafi ist wirklich super. Sie steht selbst bei Wind stabil in der Luft und lässt sich angenehm leicht steuern. Mit 56km/h ist sie im Sportmodus auch ziemlich flott unterwegs. Die Reichweite ist brauchbar, aber sicher keine 4km wie Parrot angibt. OK, das würde sowieso außerhalb der Sichtweite liegen, aber bei mir wurde das Signal nach ca. 700m schon schwach. Einen Abbruch habe ich dagegen nicht provoziert, also gehe ich von einer realistischen Reichweite von ca. 1.000m aus, wenn keine Störquellen in der Nähe sind. Und ich sage es hier nochmal: Richtig leise ist die Anafi! Ist sie erstmal 10m weg hört man sie eigentlich fast nicht mehr.

Unbearbeitete Panoramaaufnahme in HDR mit Gegenlicht
Unbearbeitete Panoramaaufnahme in HDR mit Gegenlicht

Das Foto- und Videomaterial kann man direkt von der Drohne über Freeflight 6 auf sein Handy laden – dies ging anfangs nur mit dem iPhone, mittlerweile aber auch mit Android. Viele bemängeln die fummelige Mechanik, mit der die SD-Karte verbaut ist, wenn sie die Daten direkt aus der Karte auslesen wollen. Ich kenne genau diese Mechanik von Handys und weiß nicht, was daran so schlimm ist. Zumal kann man die Anafi direkt per USB an den PC anschließen und auf den Datenträger zugreifen.

Unbearbeitete HDR Aufnahme mit Gegenlicht
Unbearbeitete HDR Aufnahme mit Gegenlicht

Foto- und Videoqualität

Ich wollte schon immer eine Drohne, wegen Fotos aus ungewöhnlichen Perspektiven. Hier hat mich die Anafi grundsätzlich überzeugt, auch wenn sie natürlich nicht die Fotoqualität einer Systemkamera oder DSLR erreicht. Aber mit HDR-Aufnahmen bei Gegenlicht oder tollen Panorama-Shots kann sie durchaus überzeugen. Die Möglichkeit Fotos in RAW zu schießen ist selbstverständlich ebenfalls super.

Auch wenn ich (noch) nicht der Filmer bin, die 4K Aufnahmen aus der Anafi sehen durchwegs super aus, dank HDR gibt es auch kaum Probleme mit Über- und Unterbelichtung.

90° Aufnahme nach oben unter Bäumen (unbearbeitet)
90° Aufnahme nach oben unter Bäumen (unbearbeitet)
90° Aufnahme nach unten, feine Strukturen werden gut abgebildet (unbearbeitet)
90° Aufnahme nach unten, feine Strukturen werden gut abgebildet (unbearbeitet)

Fazit

Für mich ist die Anafi, trotz oder gerade wegen der fehlenden Anti-Kollisionssensoren eine tolle Drohne: Der Fokus wurde auf Kompaktheit und reduziertes Gewicht gelegt, ohne Einbußen bei Foto- und Videoqualität. Mit einem Preis von gut 500€ erhält man eine nahezu perfekte Reisedrohne, die sehr leise ist und ein unauffälliges Äußeres hat. Und das Ganze mal nicht vom chinesischen Marktführer DJI, sondern von einem europäischen Unternehmen. Ich für meinen Teil bin von der Anafi begeistert, weil sie genau das bietet, was ich gesucht habe – zu einem vernünftigen Preis.

In Darktable bearbeitete Parrot Anafi Aufnahme
In Darktable bearbeitete Parrot Anafi Aufnahme

Nützliches Zubehör für die Anafi

Aus dem Zubehör: passendes Transportcase für den Controller

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