Inhaltsverzeichnis

Seit Sommer 2020 betreibe ich eine Photovoltaikanlage mit 9,24kWp und einer Tesla Powerwall II als Hausspeicher. Seit wir diese Anlage haben, liegt unser durchschnittlicher Autarkiegrad bei 75%, d.h. wir beziehen nur noch 25% unseres Stroms aus dem Netz. Ein weiteres Puzzleteil, den eigenen Strom zu nutzen, war und ist für mich ein Elektroauto. Letzteres ist nun seit Ende Juli 2024 vorhanden, dabei stellte sich bei der Entscheidung für eine geeignete Wallbox sofort die Frage, wie ein optimiertes PV-Überschussladen in meiner Gerätekonstellation möglich ist. Relativ schnell stieß ich dabei auch auf die Opensource Software evcc.

Was ist PV-Überschussladen?

Für den PV-Anlangenbertreiber ist der selbst produzierte Strom in der Regel am günstigsten, aber auch die Einspeisevergütung ist bei neueren Anlagen mit meistens unter 10ct/kWh gering. Deshalb ist bei privaten PV-Anlagen das Interesse sehr groß, den Eigenverbrauch zu maximieren. Ein Teil der Maximierung war und ist für uns der Hausspeicher, der es uns ermöglicht unseren eigenen Strom auch dann zu nutzen, wenn die Sonne nicht oder nicht ausreichend scheint. Natürlich wird dann – v.a. in den Sommermonaten – sehr viel Energie in das Netz eingespeist.

Nennt man ein Elektroauto sein eigen, dann will man den Strom lieber in seinen Auto-Akku laden, anstatt ins Netz einzuspeisen. Immerhin kostet die kWh Strom aus dem Netz mittlerweile deutlich über 30ct, während die Einspeisevergütung unverändert gering blieb. Jetzt könnte man sagen: „Wo ist das Problem? Einfach bei Sonnenschein anstecken, schon wird der Sonnenstrom ins Auto geladen!“ Ja und Nein. Ein aktuelles E-Auto lädt nämlich mit mindestens 11kW, d.h. meistens also mit deutlich mehr Leistung als eine durchschnittliche PV-Anlage auf einem EFH liefern kann. Die Differenz zwischen der Leistung der PV-Anlage kommt dann immer noch aus dem Netz und kann einen variabel großen Anteil haben. Klar kann man die Ladeleistung über den maximalen Ladestrom im Auto begrenzen, das kann sich aber wiederum negativ darauf auswirken, wieviel Strom aus der PV-Anlage in das Auto fließen kann. Hinzu kommt, dass solare Energie über den Tag unterschiedlich stark zur Verfügung steht – die wohlbekannte Glockenkurve mit der Spitze zur Mittagszeit und die niedrigen Leistung in den Morgen- und Abendstunden.

Man würde also gerne die Ladung des Elektroautos zeitlich so steuern, dass lediglich der Überschuss der Photovoltaikanlage im Akku landet und keinerlei Netzbezug stattfindet. Natürlich in Kombination mit dem Verbrauch des Hauses. Kommt dann noch ein Haus-Akku ins Spiel, der z.B. nicht für die Ladung des Elektroautos genutzt werden soll und morgens vor dem Auto geladen werden muss, wird es relativ komplex. Diese Komplexität können nur wenige Lösungen abbilden. Wobei ich mir nicht mal sicher bin, ob es neben openWB oder evcc überhaupt möglich ist.

evcc als Mittel der Wahl

Nach einigen Überlegungen habe ich mich am Ende für evcc als Mittel der Wahl entschieden, da es hochinnovativ und mit moderner Weboberfläche daher kommt. Es unterstützt dabei sehr sehr viele Wallboxen, Wechselrichter und Hausspeicher. Auch die von mir genutzte Konstellation wird unterstützt: Der Solaredge Wechselrichter und die Tesla Powerwall II als Hausspeicher. Was fehlte, war noch eine geeignete Wallbox.

Auch hier habe ich mich relativ lange mit den technischen Möglichkeiten beschäftigt und bin schließlich zum Schluss gekommen, dass ich gerne den in meiner Garage vorhandenen CEE-Anschluss nutzen und keine neue Leitung verlegen möchte. Neben der evcc-Unterstützung war mir eine automatische Phasenumschaltung wichtig (später dazu mehr). Beides vereint der go-e Charger Gemini Flex 11kW zu einem akzeptablen Preis von knapp 600€. Da der go-e Charger Gemini Flex für die Kommunikation leider keinen Ethernetanschluss besitzt, musste ich in der Garage noch für eine vernünftige WLAN-Abdeckung sorgen. Wie gut, dass ich hierzu mit Ubiquiti sehr gut aufgestellt bin und einfach einen weiteren Accesspoint an die Garagendecke hängen konnte. Eingebunden in das restliche Netzwerk und schon war die Verbindung zur Wallbox hergestellt.

Damit steht also meine technische Konstellation für PV-Überschussladen: PV-Anlage mit Solaredge Wechselrichter, Tesla Powerwall II und go-e Charger Gemini Flex 11kW. Dazu evcc in einer virtuellen Maschine auf einem Server zur Steuerung.

Installation und Konfiguration von evcc

Für evcc gibt es mehrere Installationswege und Plattformen auf denen man es betreiben kann. So gibt es Möglichkeiten für die Installation unter Debian/Ubuntu oder auf dem Raspberry Pi (alles Linux) oder unter macOS, Docker aber auch manuell unter Windows. Welche Plattform für einen den meisten Sinn ergibt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich denke, dass v.a. eine Installation auf einem Raspberry Pi für viele interessant sein kann, die keinen Virtualisierungsserver oder eine NAS besitzen, auf denen man eine VM oder einen Docker-Container laufen lassen kann. Ich selbst habe mir einen aktuellen Ubuntu Server in einer VM auf meiner KVM Virtualisierung eingerichtet und darauf dann evcc installiert.

Der Installationsweg wird ausführlich auf der evcc-Seite aufgeführt und ist bei vorhandenen Linux-Grundkenntnissen selbsterklärend: Installation von evcc unter Linux.

Kniffliger wird dann die Konfiguration, hier sollte man sich die benötigten Informationen und Einstellungen der Geräte im Vorfeld zusammentragen, sonst muss die Konfiguration neu gestartet werden. Hierbei ist evcc nämlich leider etwas unkomfortabel: Die Konfig erfolgt ausschließlich über eine Textdatei mit spezieller Syntax, es gibt (noch) keine Möglichkeit (nachträglich) Geräte über die Weboberfläche zu konfigurieren oder zu ändern.

Tesla Powerwall

Für die richtige Konfiguration der Tesla Powerwall ist ein (refresh)Token nötig, den man über Tesla generieren lassen muss. Es gibt wohl eine Möglichkeit dies über eine Webseite zu machen, allerdings kam bei mir hier ein relativ kurzer Token raus, der am Ende nicht funktionierte. Erst mit macOS App Tesla Auth konnte ich den richtigen Token erzeugen.

Beschrieben wir das Vorgehen auf auf evcc: Tesla Powerwall.

Das Passwort für die Powerwall sind die letzten 5 Zeichen des Passworts, das auf eurem Tesla Gateway steht (Deckel aufklappen, steht auf der Innenseite!). Die IP-Adresse unbedingt notieren, falls nicht vorher schon bekannt, diese wird für die richtige Konfiguration benötigt!

Solaredge Wechselrichter

Um mit dem Wechselrichter kommunizieren zu können, muss zuerst Modbus TCP aktiviert werden. Die Aktivierung erfolgt über das Konfigurationsmenü des Wechselrichters, das man wie folgt aufruft: Den roten Wipp-Schalter auf der Unterseite des Wechselrichters einmal auf kurz nach links auf „P“ stellen und wieder loslassen. Jetzt ist der Wechselrichter im Konfigurationsmodus und stellt ein eigenes WLAN bereit. Dieses WLAN suchen und eine Verbindung mit einem beliebigen Gerät herstellen – z.B. dem Smartphone. Jetzt die Adresse 172.16.0.1 im Browser aufrufen. Unter dem Menüpunkt Anlagenkommunikation auf den letzten Eintrag Modbus TCP-Port klicken. Im Untermenü jetzt noch Modbus TCP auf Aktiviert setzen, der Port kann auf 1502 verbleiben. Die Portnummer auf alle Fälle merken oder notieren, da diese für die evcc Konfiguration notwendig ist. Ebenso die IP-Adresse unbedingt notieren, falls nicht vorher schon bekannt, diese wird für die richtige Konfiguration benötigt!

Damit ist der Wechselrichter bereit für die Kommunikation mit evcc.

Die Beschreibung der Konfiguration auf evcc: Solaredge Wechselrichter.

go-e Charger Gemini

Jetzt fehlt nur noch die Wallbox in der Konfiguration, damit evcc den Geräteverbund und damit das PV-Überschussladen sauber steuern kann. Ich habe im Vorfeld den go-e Charger Gemini montiert und grundkonfiguriert, also über die eigene App eingerichtet und in mein WLAN eingebunden. Auch hier gilt wieder: Merkt/notiert euch die IP-Adresse.

Damit evcc mit der Wallbox sprechen kann, muss auch hier der entsprechende Kommunikationsweg aktiviert werden. Dazu wählt man in der go-e App den Punkt Einstellungen rechts unten, dann den Punkt Verbindung und anschließend den letzten Eintrag API Einstellungen. Hier aktiviert man die Option Zugriff auf lokale HTTP-API v2 zulassen. Jetzt ist evcc in der Lage auch mit der Wallbox zu kommunizieren und auch die automatische Phasenumschaltung 1P/3P ansteuern.

Die Beschreibung der Konfiguration auf evcc: go-e Charger Gemini flex.

E-Auto konfigurieren

Mit diesen Einstellungen lässt sich bereit jedes beliebige E-Auto mit Typ2 Stecker mit PV-Überschuss laden. Will man genauere Informationen in evcc über den PKW, wie aktuellen Ladestand, dann muss noch ein Vehicle konfiguriert werden. Dies kann auch nachträglich durch einfügen der Zeilen in die Konfigurationsdatei erfolgen. Ihr müsst die Konfiguration nur eurem Fabrikat entsprechend vornehmen:

Von evcc unterstützte Fahrzeuge.

Die verschiedenen Modi in evcc

Sind alle Komponenten richtig konfiguriert und ihr bekommt keine Fehlermeldungen mehr in evcc, dann könnt ihr auch freuen in Zukunft das E-Auto mit eurem überschüssigen PV-Strom zu betanken. Aber natürlich ist es mit evcc auch möglich, das Auto aus dem Netz zu laden oder über euren Hausspeicher. Dafür gibt es erstens verschiedene Modi und zweitens die Option die Energieentnahme aus eurem Hausspeicher festzulegen.

Aber zuerst zu den Modi, es gibt: Aus, PV, Min+PV und Schnell.

  • Aus erklärt sich von selbst, bei dieser Auswahl wird gar nicht geladen.
  • Bei PV erfolgt die Ladung allein mit PV-Überschuss. Liefert die PV-Anlage nicht genug Leistung, dann erfolgt eine Ladung. Der Strom fließt also nur ins Haus und/oder Netz. Das ist immer dann der Fall (bei den meisten E-Autos), wenn der Ladestrom unter 6A ist, d.h. wenn die Leistung aus dem Überschuss unter 1.380W liegt. Mit einer Ausnahme: Besitzt man einen Hausspeicher und hat diesen so konfiguriert, dass ein gewisser Anteil für das Laden des Autos herangezogen werden darf, dann wird die Differenz aus PV-Überschuss und den 1.380W mit Energie aus dem Hausspeicher ausgeglichen. Das ist z.B. interessant, wenn Wolken durchziehen, dann wird die Ladung des Autos nicht dauernd unterbrochen.
  • Ein vergleichbares Verhalten lässt sich auch ohne Hausakku erzielen: Mit der Auswahl der Option Min+PV. Hier wird die u.U. benötigte Differenzenergie aus dem Netz entnommen, um auf die Mindestleistung von 1.380W zu kommen, damit die Ladung des BEV erfolgen kann.
  • Wählt man den Punkt Schnell, geht es lediglich darum das Auto so schnell wie möglich zu laden, egal woher der Strom kommt. Dieser Punkt ist immer dann interessant, wenn es wichtiger ist so bald wie möglich einen vollen Akku zu haben, als möglichst viel eigenen Strom zu nutzen.

Erreicht der PV-Überschuss übrigens eine Leistung von mehr als 3,6kW (16A x 230V = 3.680W), dann erfolgt eine automatische Phasenumschaltung auf 3 Phasen. Dafür wird die Ladung kurz unterbrochen und mit 3 Phasen neu gestartet. Damit erziele ich dann die 11kW (3x 3.680W = 11.040W) mit denen mein BEV maximal AC laden kann. Das ist ein Tipp am Rande: Schaut, dass ihr euch eine Wallbox kauf, die die automatische Phasenumschaltung beherrscht, andernfalls müsst ihr es manuell vornehmen, was bei PV-Überschuss und u.U. dauernd wechselnden Solarerträgen (Wolken, etc.) nicht machbar ist!

Tipp: Für evcc gibt es leider keine App, dafür aber ein hervorragendes Webinterface, das auch auf mobilen Geräten super zu bedienen ist. Diese Tatsache habe genutzt und die Webseite als Web-App auf meinen Homebildschirm gezogen (iOS). Starte ich diese Web-App, sehe ich keinerlei Browserzeile oder dergleichen und evcc ist wie mit einer eignen App verfügbar – ohne vorheriger Eingabe der IP-Adresse oder dergleichen. Wollt ihr evcc außerhalb eures Heimnetzes erreichen, müsste man den Port von extern erreichbar machen. Das würde ich euch aber nicht raten. Besser wäre es, für diesen Zweck einen VPN Tunnel zu eurem Heimnetzwerk zu nutzen. Ich selbst habe darauf verzichtet, da ich evcc nur aufrufe, wenn ich zuhause lade und mich dann sowieso in meinem Heimnetzwerk befinde.

Fazit

Nach der ersten Woche BEV-Laden und unterschiedlichen Lade-Szenarien bin ich schlichtweg begeistert von evcc. Mit teilweiser Unterstützung der Powerwall habe ich durchgängig 100% selbst erzeugte Energie in meinen e-BMW geladen. Klar, jetzt ist noch Sommer, das wird sich im Herbst und Winter ändern. Nichtsdestotrotz ist es ein gutes Gefühl, seinen Strom nicht mehr für 8,9 ct/kWh „verschenken“ zu müssen und dafür in sein Auto laden kann – ohne Netzbezug. Damit ist für mich evcc ein geniales Puzzleteil für die Energie- und Mobilitätswende, für das ich gerne einen monatlichen Obolus zur Unterstützung der Weiterentwicklung zahle (hier nähere Infos zum Github-Sponsoring von evcc)


Transparenz: Das/die hier vorgestellte/n Produkt/e wurden von mir selbst gekauft und verwendet. Ich zeige euch nur Dinge, die ich selbst einsetze und für gut befunden habe.

Autor

Hi! Ich bin Andreas und betreibe diese Seite, auf der ich über Themen rund um IT-Technik, Reisen und Fotografie schreibe. Dir gefallen meine Artikel und du möchtest mir einen virtuellen Kaffee ausgeben? Gerne! PayPal.me/imraz0r

Einen Kommentar schreiben

Pin It